Eine der ersten Fragen die sich bei der Anlagenplanung ergibt, ist die Frage nach dem Anlagenthema.
Warum das Anlagenthema Ruhrgebiet eine sehr vorteilhaftes Lösung für die bekannten Platzprobleme der Modelleisenbahner sein kann, möchte ich hier mal erklären. Bei den ersten Gedanken zur Planung hat man natürlich schon gewisse Vorstellungen was auf einer zukünftigen Anlage sein soll. Die Paradestrecke im großen Bogen, ein Bahnhof mit vielen Gleisen, natürlich ein BW mit Drehscheibe und Ringlokschuppen, Bahnübergänge mit Schranken, Stellwerken und Blockstellen, Brücken, Tunnel und Wälder, Wiesen und Felder.
Spätestens bei der Zeichnung des Gleisplans kommt dann das böse Erwachen.
Der Platz reicht nicht aus! Natürlich lässt sich jetzt so manches im Plan zusammenschieben, einkürzen und „zurechtbiegen“, doch das Ergebnis ist dann meistens doch eher eine Karikatur des Vorbilds. Hier gibt es dann alles Gewünschte auf einer Fläche die beim Vorbild gerademal so groß wäre wie zwei Fußballplätze. Das „Gebirgsmassiv“ wirkt dann durch die vielen Tunnelportale wie ein Schweitzer Käse. Die„tiefe Schlucht“hätte man beim Vorbild wohl mit der Abraum-Ladung einiger Sattelzüge aufgefüllt und das„Groß-Bw“ wirkt eher wie ein Eisenbahnmuseum am geschrumpften Bahnhof. Die gesamte Anlage erinnert dann doch irgendwie an die „Anlagenvorschläge“ aus den 70er-Jahren Katalogen eines führenden Modellbahnherstellers. (nennt man heute wohl „Retro“-Anlage)
Die Lösungen wären entweder bescheidenere Neuplanung oder die Wahl eines geeigneten Anlagenthemas.
Wo gibt es denn ähnliche Platzprobleme beim Vorbild? Natürlich im Ruhrgebiet der 60er Jahre! Hier ist es normal, das es ein für den nicht Ortskundigen nahezu undurchschaubares Gleisnetz mit zahllosen Industrieanschlüssen gibt. Viele Brücken, Unterführungen und Bahnübergänge drängen sich auf engstem Raum aneinander. Eisenbahn, Straßenbahn und Autos fahren oftmals direkt nebeneinander, eingezwängt von Mietshäusern für die vielen Menschen die hier gearbeitet haben.
Beim Blick nach oben sieht man die große Gitterbrücke der Zechenbahn, welche das ganze Szenario krönend überspannt. Am Horizont sind die im leichten Grauschleier kaum erkennbaren Umrisse einiger hoher Industriegebäude und Fördergerüste zu sehen und wohin die Reise der gerade am Bahnübergang vorbeidonnernden 50er geht, können wir höchstens ahnen. „Es fährt ein Zug nach nirgendwo“. Ist es eigentlich nicht genau das was wir brauchen? Jetzt machen die vielen dichtgedrängten Gebäude Sinn, all die (meist schon gekauften) Zubehör-Bausätze lassen sich unterbringen und auch für die Gleisplanung ist der Schrecken des „Überladens“ genommen. Hier wirkt der unvermeidbare Gleisüberschuss auf einmal überzeugend Vorbildgerecht.
Betriebstechnisch ist dieses Anlagenthema wohl allen anderen deutlich überlegen.
Hier geht alles, vom Vorortzug, kleinen Übergaben und Schienenbussen bis hin zum „Langen Heinrich“ und den damaligen „Prunkzügen“ wie F10 Rheingold ( mit der wunderschönen Bügelfalten E10.12 ) und dem legendären VT 11.5 im TEE-Verkehr.
Man kann also den dichtgedrängten Hauptbahnverkehr ebenso darstellen wie die kurze Übergabe oder die „kleine Rangierfahrt“ mit der damals allgegenwärtigen V60 und natürlich Dampf, viel Dampf. So waren Mitte der 60er Jahre z.B. beim Bw Oberhausen-Osterfeld-Süd allein über 60 Loks der Baureihe 50 stationiert. Aber auch im Reisezugverkehr hat es noch „gedampft“: Hervorzuheben wäre hier der Wendezugbetrieb mit den Baureihen 65 und 78 vom BW Essen Hbf.
Die Darstellung einer Zeche (Bergwerk) auf der Modellbahn ist natürlich die „Krönung“ des ganzen Projektes.
Die hohen Fördergerüste überragen den Rest der Anlage und sind als eine Art Symbol für das Ruhrgebiet zu sehen. Aber auch vom Eisenbahnbetrieb her ist die Zeche ein interessantes Anlagenthema. Hier starten die langen Kohlezüge, leere Wagen werden benötigt und auch die Werkstatt der Zeche will versorgt werden. Grubenholz kommt auch per Bahn. Die werkseigene Zechenlok hat ständig viel zu tun, die Wagen müssen ja passend zur Verladung rangiert, gewogen und für die Fahrt zum Übergabebahnhof bereitgestellt werden. Allein damit hat schon ein Modell-Lokführer „Vollprogramm“. Man sieht, das man selbst bei bescheidenen Platzverhältnissen viel unterbringen kann. Es muss ja auch nicht immer eine ganze Zeche dargestellt werden, am Anlagenrand angeordnet liegt dann der restliche Teil der Zeche gedanklich eben außerhalb der Anlagenfläche. Schauen wir der fleißig rangierenden Zechenlok noch eine Weile in unseren Gedanken zu und denken mal über das Anlagenthema Ruhrgebiet nach. Hat uns da nicht gerade der Heizer der Lok zugewinkt? Es könnte eine Einladung sein…
Bis demnächst,
Achim