Gleisplanung der Modellbahn, Teil 1 erste Überlegungen

Bei der Gleisplanung der Modellbahn werden oft kapitale Fehler gemacht, die den Spaß an der späteren Modelleisenbahnanlage stark einschränken können. Hier sollte man sich ausreichend Zeit nehmen um später ein optimales Ergebnis zu erhalten.
Grundsätzlich gibt es zwei Wege der Planung: Entweder man orientiert sich an der Geometrie des gewählten Modellbahn-Gleissystems oder man nimmt das Vorbild als Vorbild. Hier die Vor- und Nachteile der beiden Varianten:

Gleisplanung , Orientierung an der Geometrie des Gleissystems

Vorteile: Gleislanung und Gleisbau gehen schneller, keine besonderen handwerklichen Fähigkeiten erforderlich, altes Gleismaterial kann wiederverwendet werden, gesicherter, hoher Umsatz der Modellbahn Hersteller die uns dadurch länger erhalten bleiben

Gleisplanung, Gleisabstand 46 mm
Gleisplanung, Gleisabstand 46 mm

Nachteile: optisch meist unglaubwürdig durch zu große Gleisabstände, abrupte Übergänge zu Kurven wie auf einer Achterbahn, höhere Kosten bei der Anschaffung, unnötig viele elektrische Kontaktverbindungen durch die enorme Anzahl von Schienenverbindern, häufigere Betriebsprobleme wie Entgleisungen oder Störungen des Digitalsignals bei längeren Strecken (zu viele Kontaktverbindungen, siehe oben), Gleisverlauf nicht elegant.

Gleisplanung , Orientierung beim Vorbild

Vorteile: geringere Kosten durch konsequente Verwendung von Flexgleis oder langen Geraden, höhere Betriebssicherheit, optisch optimal, besser Ausnutzung der vorhandenen Anlagenfläche, kleinere Einkaufsliste: man braucht nur noch Flexgleis, Weichen und Schienen-bzw. Isoverbinder , eleganter und dynamischer Gleisverlauf, also so wie beim Vorbild…
Nachteile: Der richtige Umgang mit Flexgleisen muss erlernt werden. Eine Verlegung des Gleises unter „Vorspannung“ mittels Nägeln oder Klammern reicht hier nicht aus! Auch das oft beschriebene Verlöten der Schienenverbinder um das „widerspenstige“ Flexgleis zu bändigen ist nicht der richtige Weg! Auch ist hier Mut gefragt, wenn es darum geht eine sündhaft teure Weiche mit der Säge zu bearbeiten oder sie zu biegen.(Beitrag hierzu „Gleisbau“ folgt)
Ich persönlich würde bei der Modellbahn Gleisplanung immer zu der Orientierung am Vorbild raten, das muss aber letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Wichtig ist nur das diese Entscheidung als erstes getroffen wird, der Gleisverlauf unterscheidet sich bei den beiden Varianten enorm und man will die Zeichnungen ja nicht zweimal machen.

Gleisplanung, die Unterschiede im Detail

Was ist denn nun anders bei der großen Bahn im Gegensatz zu den meisten Modellbahn Gleissystemen? Am auffälligsten sind die sogenannten Übergangsbögen, auch Klothoiden genannt, welche am Anfang einer gebogenen Strecke zu finden sind. Hier geht es quasi vom Radius unendlich kontinuierlich auf den gewünschten Endradius über, so dass die Fahrzeuge allmählich in die Kurve gehen und so die Fahrgäste kaum etwas von der Kurvenfahrt spüren. Bei der starren Geometrie der Modellbahn-Hersteller würden die Preiselein selbst schon bei geringen Geschwindigkeiten von den Sitzen fliegen, gar nicht auszumalen was im Speisewagen passiert! Und der Lokführer bräuchte dann wohl einen Gesundheitscheck der NASA mit Besuch im Beschleunigungs-Testzentrum.

Gleisplanung, die Weichen:

Gleisplanung
Gleisplanung

Hier ist wohl am auffälligsten das beim Vorbild der Gleisverlauf ab dem Herzstück meist gerade ist, so ergibt sich automatisch eine Zwischengerade beim Übergang auf das Parallelgleis. Bei den meisten Modellbahn-Weichen ist es hier anders, der Bogen geht weiter. Will man jetzt auf das Parallelgleis im vorgegeben Rastermaß, ist der gefürchtete, sofortige Übergang auf den Gegenbogen unvermeidlich. Auch die Radien der meisten Modellbahn Weichen sind „jenseits von Gut und Böse“. Hier ist meine Empfehlung immer den größtmöglichen Radius zu nehmen und dafür lieber auf ein Gleis im Bahnhof zu verzichten.
Auch gibt es die von der Modellbahnindustrie erfundenen „Bogenweichen“ so nicht beim Vorbild! Bei der großen Bahn werden gerade Weichen gebogen und den Erfordernissen angepasst. Der gerade Abschnitt im Stammgleis der meisten Modellbahn-Bogenweichen führt wiederum nur zum „Durchschütteln“ der Preiserlein bei Zügiger Fahrt und wäre beim Vorbild wohl als unzumutbar zu bezeichnen.
Auch die Gleisabstände im „Modellgleis-Rastermaß“ sind deutlich zu groß. Dies wurde so gewählt damit auch die längsten im Sortiment des Herstellers angebotenen Fahrzeuge sich im Bogen begegnen können. Dass diese Bögen beim Vorbild niemals mit solch langen Fahrzeugen befahren werden könnten wird nicht erwähnt.

Gleisplanung, Gleisüberhöhung

Auch hier ist es beim Vorbild anders, Gleise im Bogen haben meist eine Überhöhung, das heißt die äußere Schiene liegt höher als die innere. So lassen sich höhere Geschwindigkeiten im Bogen erreichen.
Warum sollten wir uns nach den Vorgaben der Modellbahnhersteller richten? Es muss ja nicht alles schlecht sein was beim Vorbild angewendet wird, man hat sich ja etwas dabei gedacht. So ist die Vermeidung von Gegenbögen auch auf der Modellbahn eine nützliche Sache. Warum also nicht besser für den Gleiswechsel zwei schlanke Weichen mit geradem Gleisverlauf nach dem Herzstück verwenden, um so auf 52mm gewünschten Gleisabstand (üblicher Abstand von Gleisen im Bahnhofsbereich bei H0) zu kommen, als zwei steile Weichen mit unmittelbarem Gegenbogen und unnötig großem Gleisabstand der uns nur Platz verschenkt? (Hier kommen dann auch die meisten Kurzkupplungskulissen an ihre Grenzen und die nächste „Betriebsstörung“ ist vorgeplant) Durch den nun passenden Gleisabstand können die geraden Schienen der Weiche im abzweigenden Strang gekürzt werden (siehe oben, „Säge“) und die beiden „langen“ Weichen liegen jetzt etwas versetzt zueinander, die Gesamtlänge des Gleiswechsels wird geringer.

Gleisplanung, Fazit:

Vorbildorientierter Gleisverlauf benötigt nicht zwingend viel mehr Platz, ist aber deutlich Betriebssicherer und optisch ein Genuss. Würden wir uns bei der Betrachtung der fahrenden Züge auf unserer Modellbahn-Anlage nicht viel wohler fühlen, wenn der an der Theke des Barwagens vom „Blauen Enzian“ stehende Preiser-Mensch sein Getränk ohne Verluste genießen könnte…

Bis demnächst
Achim